Franziska Ballenberger

Interview vom 7. Juni 2022

Franziska, Krefeld 2022

Warum bist du Tänzerin geworden, wie bist du dazu gekommen? Gab es damals alternative Ideen dazu?

Meine großen Cousinen, die damals Vorbild für mich waren, sind in die Tanzschule gegangen. Und dann wollte ich das auch unbedingt mal ausprobieren. Ich hatte das große Glück, dass ich an eine sehr gute Lehrerin kam, die auch schon sehr früh mein Talent entdeckt und gesehen hat. Sie sagte nur: „Du stehst krumm und schief“ – ich hatte das totale Hohlkreuz – und dann fingen wir an zu arbeiten. Zuerst einmal die Woche, dann zweimal und so weiter bis ich irgendwann jeden Tag in der Tanzschule war. Und es war einfach dann die Leidenschaft. Ich hab die verschiedensten Sachen gemacht, also von Ballett natürlich, Boden-Training, Pas-de-deux, Jazz, Modern Dance bis zum Stepptanz. In Gesang war es ziemlich hoffnungslos, also hab ich mich mehr auf die tänzerischer Ebene konzentriert.

Wie war Dein Leben als Tänzer? Wann warst du wo?

Begonnen hab ich in meiner Heimatstadt Nürnberg. Ich kam dann in ein Förderzentrum für begabte Kinder, bin aber dann weiter nach Hamburg gegangen, in die John-Neumeier-Schule. Ich bekam dann Stipendien, um nach New York und Chicago zu gehen, und war da unterwegs. Und als ich wiederkam bin ich eigentlich direkt, also noch parallel zum Ende meiner Ausbildung, an das Staatstheater Nürnberg als Tänzerin engagiert worden. Das war so die erste größere Station, davor das Übliche, was man so als junge Tänzerin oder angehende Tänzerin so macht: Wettbewerbe in Italien und solche Sachen. Danach kamen verschiedenste Stationen, eigentlich so überall in der ganzen Bundesrepublik rauf und runter, in verschiedenen Häusern, inklusive das kleinste Dreispartenhaus Deutschlands, in Nordhausen.

Was war gut, was hast Du Dir vielleicht anders vorgestellt? Was gab es ggf. für Probleme, was war besonders schön, was ist in besonders guter Erinnerung geblieben?

Was ich während meiner Ausbildungszeit oft schwierig fand, war das Alleinsein, sich einsam zu fühlen, weil letztendlich jeder für sich war. Wir waren zwar eine Gruppe, aber es war unheimlich viel Druck, Drill… Im Nachhinein würde ich sagen, da hat so gut wie jeden Tag irgendwer geheult, oder ist fertig gemacht worden. Das war schon auf der psychologischen Ebene nicht ganz einfach. Klar, gab es so legere Freundschaften, aber es war schon auch eine einsame Zeit.

Als ich dann angefangen habe im Theater zu tanzen, war das natürlich etwas ganz anderes, denn man war viel freier da. Ich war damals auch der Youngster in der Company. Die waren alle so zirka 10 Jahre älter als ich, ich war also wirklich mit Abstand das Küken. Man wird als Tänzer natürlich unheimlich früh erwachsen. Ich war 16 als ich meine erste eigene Wohnung hatte und mich da komplett autark zurechtgefunden habe.

Als Berufstänzerin in den Compagnien war dieses Gefühl von Einsamkeit nicht mehr da. Da konnte man sich das ein bisschen mehr aussuchen, mit wem man hinterher noch einen Kaffee trinken geht oder welche Leute man sieht. Und ich hab auch noch, parallel dazu, immer verschiedene Tanzprojekte gemacht. Insofern gab es einfach auch nicht so viel Freizeit.

Es wurde auch erwartet, gerade so als jüngstes Mitglied, dass ich bei jedem Extra-Training usw erscheine und natürlich alle Extra-Aufgaben erledige. Man ist in der Hierarchie halt ganz unten erstmal.

Ist es so geworden, wie du es dir gedacht hattest?

Als ich in der Tanzschule war, hab ich da, ehrlich gesagt, gar nicht so wahnsinnig viel drüber nachgedacht, wie es dann sein würde. Ich wollte einfach tanzen. Aber wir haben ja von Anfang an auch immer auf Bühnen gestanden, das war ja jetzt nichts Neues, diese Erfahrungen waren ja schon alle da. Und klar man hat natürlich mehr Freiheit, aber letztendlich ist man ja auch in der Kompanie.

Mir ist mal dieser Unterschied von Chor und Ballett-Company bewusstgeworden: Beim Chor heißt es immer „meine Damen, meine Herren“, das ist die Ansprache für den Chor. Beim Ballett heißt es immer „the Boys and the Girls“. Und das sagt eigentlich schon alles.

Und letztendlich ist man eigentlich nach wie vor in so einer Glocke. Man bekommt gesagt, wann das Training ist, wann man zu welcher Probe zu kommen hat. Du isst dann zu Mittag, machst ne Pause und je nachdem, was du am Abend hast, bereitest du dich auf eine Probe vor oder du hast Physiotherapie. Du richtest letztlich deinen Essensplan nach deinen Trainings- oder Proben- oder Aufführungseinheiten ein. Wenn ich eine Aufführung habe, dann esse ich keinen großen Salat vorher, das ist ungünstig. Insofern richtet man sich dann schon eigentlich komplett drauf ein.

Wie ließ sich Tanzen und Privatleben / private Beziehungen vereinbaren? Welche Probleme gab es?

Tanzen und Privatleben: Wenn es innerhalb von den Tänzerkreisen ist, dann ist es natürlich kein Problem. Dann muss man nichts erklären, weil der andere genau diesen Rhythmus kennt und auch selber hat, und man ist ja wie in einer kleinen, wie soll ich sagen, Community, man ist in seiner Künstlerwelt unterwegs. Wir haben einen anderen Lebensrhythmus, andere Zeiten, die nicht unbedingt mit den Zeiten und Gewohnheiten von, wie soll ich sagen, normal arbeitenden Menschen zusammenpassen. Das kollidiert schon. Allein am Wochenende zu arbeiten, weil man Vorstellungen hat, und dementsprechend macht man natürlich am Wochenende kein großes Freizeitprogramm, sondern es ist einfach ein Arbeitstag mit einer Aufführung. Es ist natürlich möglich, auch Beziehungen außerhalb des Theaters zu haben, das ist aber ja immer eine individuelle Geschichte und hängt davon ab, wie viel Flexibilität die andere Person hat.

Es ist einfacher, mit einem ebenfalls Tänzer oder Schauspieler, oder, finde ich ist eine wunderbare Kombination, auch Opernsänger und Tänzer, oder auch so etwas was gut funktioniert ist, Musiker. Opernsänger sind auch nochmal ähnlich, sag ich mal, hatte nie ein Opernsänger, ist aber eine ähnliche Disziplin, mit ihrer Stimme und ihrem Instrument immer sorgsam umgehen zu müssen… Hätte ich einen Opernsänger gehabt…

Wie hast du nach einem neuen Job gesucht? Hast du explizit versucht, im Bereich der Kultur, des Theaters oder der Tanz zu suchen, oder war es Zufall?

Als ich aufgehört habe, fest als Ensemblemitglied an verschiedenen Theatern zu arbeiten, bin ich als Tänzerin in die Selbstständigkeit gegangen und hab angefangen als Gast an verschiedenen Theatern zu gastieren. Die Jobs hab ich teilweise ganz normal über Auditions bekommen. Später, wenn man in der Szene auch bekannter ist, dann klingelt auch einfach mal das Telefon, da wird gefragt: Hast du Zeit für eine Produktion? Dann wird das natürlich einfacher, aber es ist mit viel Vortanzen, Vorsprechen, Vorsingen verbunden, das ganze Programm. Und eben halt die Arbeit mit verschiedenen Agenturen.

Und damit ist ein sehr dichter Arbeitsplan verbunden, mit teilweise 3, 4, 5 verschiedenen Theatern pro Saison plus Event-Jobs für Agenturen. Und das im In- und Ausland, man ist also sehr viel unterwegs, mit sehr viel Logistik. Aber es ist auch ein sehr intensives Leben, weil man letztendlich mit dem ganzen internen Geklüngel, was an so einem Theater dann immer gang und gäbe ist, eigentlich nichts zu tun hat, sondern man kommt, macht seinen Job und geht wieder. Eine sehr leichte Art und irgendwie ein schöner Status, und sehr abwechslungsreich, weil man nicht nur in einem Haus sitzt, sondern wirklich verschiedene Theaterproduktionen parallel machte.

Und danach kam wie wahrscheinlich bei so vielen auch der Wunsch, Mutter zu werden, und dann, als ich schwanger war, war das natürlich einfach der Moment aufzuhören. Ich habe bis zum fünften Monat getanzt und dann – in der Zwangspause – habe ich schon direkt meine Pilates-Trainer-Ausbildung angefangen und noch im schwangeren Zustand angefangen zu unterrichten. Ja, insofern war das schon so ein Weg, den ich dann gehen wollte, der schon klar war als ein mögliches Standbein.

Wie es sich dann weiterentwickeln würde, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht. Aber ich bin nicht so gefallen wie ich das von Kollegen auch kannte, die plötzlich schwanger waren und dann raus waren und dann teilweise richtig depressiv geworden sind, weil alles eben weg war. Insofern hatte ich eine neue Aufgabe, und ich glaube, das hat den Übergang auch sehr soft gemacht, und ich wollte natürlich auch Mutter werden.

Das bedeutet, wen ich dich höre, dass Mutter werden und Tänzerinnen bleiben nicht vereinbar ist…?

Ich denk ja, es ist auf jeden Fall ein sehr, sehr schwieriger Beruf, wenn man es mit dem Muttersein vereinbaren möchte. Ist auch immer eine Frage, wie sehr der Partner einen darin unterstützt.

Ich hab dann an der Deutschen Oper in Düsseldorf nochmal vorgetanzt als meine Tochter ein knappes Jahr oder dreiviertel Jahr alt war und war dann selber ganz überrascht, dass ich den Job gekriegt hab. Es hat noch ein bisschen gedauert, bis dann der Vertrag losgehen sollte, und in der Zwischenzeit hab ich ein paar Jobs für Agenturen gemacht, und dann selber gemerkt, meine Prioritäten hatten sich verschoben. Letztendlich hab ich dann an der Oper angerufen und den Vertrag zurückgegeben, weil mir einfach bewusst war, wieviel Zeit das in Anspruch nehmen würde: teilweise mit geteilten Arbeitszeiten, morgens/abends, hin und zurück und hin. Und das war es mir nicht wert, die Zeit mit meinem Kind dafür zu opfern. Insofern war ich auch an einem Punkt angekommen, wo ich das Gefühl hatte, es satt zu sein. Ich hab das auch gemerkt, als ich verschiedene Jobs nochmal auf der Bühne gemacht habe. Allein, was dann eben dazugehört, wenn man Mama ist: dass man morgens früh aus den Federn muss, die Nacht war vielleicht nicht ganz so dolle, und das Kind in die Kita fährt, dann sich durch den Verkehr irgendwie eine Stunde nach Köln durchschlängelt, um dann pünktlich in der Probe zu stehen, und dann kommen die Kollegen so lässig mit Latte Macchiato in der Hand eine Viertelstunde später reingeschlendert, und dann ist leider der Choreograph auch mit dem Musikstück noch nicht ganz fertig und dann verzögert sich der ganze Probenbeginn und dann denkt man so, hm, meine Probezeit ist bis 18:00 Uhr und ich bin hier auch um 18:00 Uhr weg, weil die Stunde ab 19:00 Uhr meinem Kind gehört. Früher wäre mir das egal gewesen, dann macht man halt ne Stunde länger. Und das hatte sich verschoben. Und dann habe ich mich einfach immer mehr auf die unterrichtende Tätigkeit konzentriert, und da relativ viel gemacht, auch Profi-Training gegeben, und bin da so reingerutscht, auch in den ganzen Tanzpädagogischen Bereich. Und jetzt bin ich eigentlich Unternehmerin…

Wie zufrieden bist du mit deinem neuen Job…?

Letztendlich bin ich sehr zufrieden. Ich hab, denk ich, auch vielleicht ein bisschen Glück gehabt, vielleicht auch ein gutes Händchen mit ein paar Sachen gehabt. Hab das Glück, ein fantastisches Team zu haben. Ohne sie wäre ich auch nicht so erfolgreich. Ich denke, auch dieser Ort, wo jetzt meinen Standort ist, ist einfach sehr gut. Wenn ich in einer Stadt wie Düsseldorf oder Köln leben würde, das wäre, glaube ich, nicht so einfach. Insofern hab ich hier, glaube ich, eine ganz gute Nische gefunden. Insofern bin ich mit meiner Lebensqualität sehr zufrieden und kann wirklich gut Familienleben oder Muttersein mit meinem Job vereinbaren.

Ökonomisch / Finanziell…? Wie war es vorher, wie ist es jetzt?

Als ich am Theater angefangen habe, man ist ja noch sehr jung, war ich ganz überrascht wie hoch das Tänzergehalt ist. Das ist eigentlich gar nicht so schlecht im Verhältnis zu anderen Jobs, muss ich sagen. Freiberuflich allerdings, obwohl ich wahnsinnig viel gearbeitet habe und eigentlich wirklich auch für die gut zahlenden Agenturen gearbeitet habe, war das nicht so. Dadurch dass man natürlich viel unterwegs ist. Man geht viel in Restaurants, man gibt auch Geld aus bei der Arbeit oder bei den Jobs nach der Vorstellung, man ist eben mit Adrenalin im Körper und geht nicht aus dem Theater um 10:30 Uhr raus und dann ins Hotelzimmer duschen und legt sich ins Bett, sondern man ist noch draußen und ist unterwegs und kommt erst mal langsam runter. Insofern muss ich sagen geht’s mir heute, finanziell gesehen, sehr gut. Ich konnte immer mit dem Beruf des Tänzers leben und Überleben und hab genug Geld verdient. Ich war immer autark. Aber es geht mir jetzt mit dem Tätigkeitsfeld, was ich jetzt mache, finanziell wirklich sehr gut.

Hattest du im Voraus schon Pläne fürs „Danach“ gemacht…? Sind dieser Pläne so geworden, wie du sie es vorgestellt hast?

Ich hatte mir damals schon im Vorfeld Gedanken gemacht, und da mich Bikram Yoga auch interessiert, hatte mich da auch schon erkundigt und sogar einen Termin mit meiner Steuerberaterin gemacht, um zu gucken, wie das alles gehen könnte. Hab mich dann aber für Pilates entschieden und ja, letztlich der Finale Anstupser kam, als ich dann wusste, ich bin schwanger, und ich hatte erstmal Zeit, mich darauf zu konzentrieren und zu kümmern, was gibt es für Möglichkeiten in meinem Umfeld, wo kann man eine Ausbildung machen, welche Formen von Pilates möchte ich machen…

Ich hab jetzt, sag ich mal, einen sehr normalen Lebens-Rhythmus. Allein schon dadurch vorgegeben, dass wenn man zwei Kinder hat, man einfach morgens früh aus den Federn springt, und wir starten sehr früh. An sowas wie ein „freies Wochenende“ musste ich mich am Anfang echt ein bisschen gewöhnen, das war komisch, Samstag und Sonntag nicht zu arbeiten und halt so einen relativ normalen Arbeitszyklus von Montag bis Freitag oder montags bis samstags zu haben. Ich mache natürlich auch mal Workshops und solche Sachen, also ich arbeite auch mal am Wochenende, aber es ist oft auch so, dass ich sage ok, dann ist ein Sonntag eben auch Familienzeit.

Was würdest du junge Tänzer*innen raten…? Wie sollen sie, im Vorfeld, mit der Vorstellung/Tatsache, umgehen, dass Tanzen nicht für immer ist?

So blöd und so langweilig das klingt, ich würde jungen angehenden Tänzer*innen raten, irgendeine Form von Schulabschluss zu machen. Die Krux am Tänzer sein ist, dass man in dem Beruf so jung anfängt zu arbeiten, dass man eigentlich nicht wirklich Zeit hat, eine vernünftige Schulausbildung zu Ende zu bringen. Ich meine, es ist schwer. Es gibt inzwischen auch manche Schulen, wo man auch sogar Abitur machen kann und parallel die Tänzerausbildung machen kann. Aber zumindest irgendeinen Schulabschluss hinzukriegen, um dann vielleicht später Möglichkeiten zu haben, nochmal zu studieren oder sich weiterzuentwickeln.

Verbesserungsvorschläge im Tanz- Arbeits- Sozial Bereich/Recht…

Ich denke, es müsste mehr Bestandteil der Ausbildung sein, dass Tänzer*innen in Sachen Arbeitsrecht vielleicht vorab ein bisschen mehr geschult werden. Letztendlich sind Tänzer noch gar nicht gewöhnt zu verhandeln. Man weiß ja faktisch gar nicht, dass man auch Verträge verhandeln kann, aber man ist gewöhnt die Klappe zu halten, so, und natürlich verhandelt man mit Leuten, die den ganzen Tag nichts anderes machen als Verträge verhandeln. Und man ist jung, man hat es nicht erfahren, also das ist ja eigentlich schon erklärend an sich, dass man da nicht so wahnsinnig viel Spielraum hat. Insofern ja, sich vielleicht mit Versicherungen oder ne Berufsunfähigkeitsversicherung, sich damit zumindest mal zu beschäftigen, sich mit solchen Sachen auseinanderzusetzen, ist ja vielleicht auch nicht so verkehrt.

Wie hat sich das Leben dann geändert? Beschreibe genau, was alles anders wurde. Welchen Beruf hast du dann gewählt? Was hat sich privat geändert?

Alles, alles hat sich in mein Leben geändert, als ich mit tanzen aufgehört habe. Ja klar erstmal, aber das ist, glaube ich, unabhängig vom Tänzer sein, Mutter zu werden, verändert natürlich komplett alles, weil der Fokus ganz auf dem Kind gerichtet ist, und man ist viel weniger bei sich. Man hat natürlich auch viel weniger Zeit für sich, da wo man früher viel Zeit hatte sich mit andere Dinge zu beschäftigen, oder wo man überlegt hatte, gehe ich jetzt noch dahin zum Training oder mach ich noch das, wo man so beruflich orientiert war. Da hat man gar nicht mehr drüber nachgedacht. Das war einfach erstmal weg.

Klar, auch weniger Kontakte mit den ganzen Tänzerkreisen, wobei es auch so war, dass es dann um mich herum alle nach und nach Mamas wurden, oder viele von uns. Insofern war es dann auch lustig, und so sind Kontakte auch weiterhin bestehen geblieben, halt mit den Babys.

Was war die größte Veränderung in deinem Leben, nachdem du aufgehört hast zu tanzen?

Eine Umstellung war, selber nicht mehr so viel und so stark körperlich aktiv zu sein. Aber ja, das hat sogar im Moment eigentlich fast ein bisschen gut getan, denn ich hätte auch gar nicht die Power gehabt. Ich hab parallel noch dieses Pilates-Studium gemacht, was mit Baby gar nicht so leicht war, muss ich sagen. Durch den Schlafentzug und so wird das Denken und Lernen nicht einfacher. Ich war dann irgendwann so strukturiert, dass, weil ich morgens am besten aufnahmefähig war und meine Tochter morgens gerne länger schlief, hab ich mich um fünf immer hingesetzt und hab dann die ganzen Anatomiesachen gelernt. Anders ging es gar nicht, weil abends mein Gehirn wie ein Sieb war.

Fehlt dir das Tänzersein auf der Bühne?

Es gibt Momente, da denke ich, das wäre echt nochmal so toll wieder auf der Bühne zu sein, aber irgendwie ist es auch nicht so. Ich glaub, weil ich die Entscheidung getroffen hab, also sie wurde nicht für mich getroffen, weil mich keiner mehr sehen wollte oder weil sie alle sagten „Oh Gott, die kann man nicht mehr engagieren…“ Ich hab auch keine Verletzung gehabt, wo man gezwungenermaßen aufhören musste. Ich habe die Entscheidung getroffen, und ich hatte ja sofort auch neue Aufgaben, und es hat mir sehr viel Spaß gemacht, Neues zu lernen und dann weiter zu geben. Ich hab das immer als Geschenk empfunden, dass ich den Zeitpunkt selber bestimmen konnte.

Würdest du sagen, dass deine Lebensqualität sich geändert hat, verschlechtert oder verbessert?

Ich führe jetzt ein komplett anderes Leben. Dieses Künstlerleben war natürlich eine ganz andere Zeit, unheimlich intensiv. Ich würde nicht sagen, dass es jetzt weniger intensiv ist, aber als Künstler ist es natürlich punktuell so geballt, wo man dieses extreme Gefühl hat, lebendig auf der Bühne zu sein zu sein, Adrenalin. Also dieses Adrenalin haste natürlich jetzt nicht mehr so, man ist in einem ruhigeren Fahrwasser, aber ich habe ein sehr reiches Leben auch mit den Kindern und bin da auch sehr dankbar für, und uns geht es gut. Insofern ist es ein ganz anderes Lebensgefühl, aber ich würde ich nicht sagen, das es schlechter oder besser ist, ich würde das jetzt ohne Wertung stehen lassen.

Tanzt du noch? Wie bleibst du fit?

Klar, als Tanzlehrerin beweg ich mich schon letztendlich jeden Tag, aber ich bin auch einfach älter und weiser geworden, insofern weiß ich auch, welche Bewegungen ich nicht mehr machen sollte. Ich würde jetzt kein Cambré machen mit dem Kopf bis hinten an meinen Po klemmen, oder solche Sachen. Das würde ich jetzt alles nicht mehr tun, weil ich weiß, dass es mein Körper nicht mehr verkraften oder dann schlappmachen würde. Man ist vorsichtiger mit sich geworden. Und also, bei mir ist es zumindest so,

Früher als Tänzerin, wenn man morgens beim Training zum Beispiel die Pirouetten versemmelt hat, dann war der Tag gelaufen. Wenn das Training irgendwie nicht gut war und dann vielleicht bei der Probe auch noch irgendwas schiefging und so, dann war eigentlich der Tag gelaufen. Da bin ich viel weicher geworden und viel nachsichtiger mit mir und, glaube ich, auch viel humorvoller. Wenn mal irgendwas nicht so hundertprozentig gelungen ist, sieht man das auch in Relation, wenn einem jetzt kein grober Fehler unterlaufen ist. Insofern ist die Priorität bei mir jetzt nicht mehr auf mein eigenes Training. Ich probiere gerne Sachen aus, auch im Bereich von Fitness und Pilates, auch mit verschiedenen Geräten, Maschinen, Trampolin, sonstwas aber ja, es ist eben nicht mehr der Fokus, selber zu trainieren bis zum Anschlag.

Was ist mit deinem Körper passiert, nachdem du mit dem aktiven Tanzen aufgehört hast…? Fühlst du dich noch als „Tänzerinn“? Wie fühlt sich überhaupt einen Tänzer*inn? Fühlst du deinen Körper noch als „Tanz-Körper“? Ist dein Körper jetzt „fremd“?

Der Körper fühlt sich schon anders an, man ist nicht mehr so super hart, man besteht nicht nur aus Muskelpaketen, der Körper ist weicher geworden. Es ist Jetzt nicht so, dass ich denke „oh Gott, oh Gott, ich wiege jetzt 50 Kilo mehr“, das ist auch nicht der Fall, also man ist schon irgendwo sich treu geblieben, aber es ist schon auf dem Älterwerden, es ist jetzt auch schon paar Jahre her, insofern fühlt es sich anders an, aber ich bin immer noch ich. Ich habe keinen abrupten Stopp gehabt, sondern dieses Pilatestraining gemacht, das ja auch sehr tanzähnlich ist, man kann da ja auch viel mit diesen Muskelgruppen arbeiten.

Würdest du ein bisschen was erzählen zu dem Alltag im Ballett Saal? Wie war das? Wie hat sich das angefühlt?

Wenn man ein bisschen länger mit Kollegen zu tun hat, entwickelt sich natürlich schon ne Vertrautheit. Allein von dem physischen, weil man sich natürlich auch körperlich einfach ganz anders nahekommt als in herkömmlichen Berufe. Nicht nur der körperliche Kontakt, der da ist, sondern auch emotional machst du ja auf und zeigst dich, sag ich mal, wie es in dir drin aussieht, oder je nach Rolle oder was auch immer. Oder man macht sich auch im wahrsten Sinne des Wortes nackig, also das ist ja alles dabei, physisch und emotional. Dadurch entsteht natürlich eine andere Verbundenheit oder Vertrautheit als wenn du mit jemanden neben dir im Büro sitzt. Und je länger man mit so einer Gruppe arbeitet, umso intensiver ist das. Das ist dann wie eine Familie.

Hast du noch Berührungspunkte mit der Tanz Welt?

Meine Berührungspunkte mit der Tanz Welt sind meine ehemaligen Kollegen. Ab und zu gehe ich ins Theater.

Hast du manchmal Sehnsucht nach dem Leben als Tänzerin?

Hm, eigentlich nicht. Nein

Würdest du etwas mehr über die Psyche erzählen, in Bezug auf das Tanzen?

Man hat als Tänzer einen hohen Leistungsdruck, das ist einfach so. Die Ansprüche, also dass man eine möglichst konstante Leistung aufbringt, dass man jetzt nicht einen Tag so den nächsten so also, das wird schon erwartet einfach.

Auch für Mädels ist natürlich auch immer die Frage von Gewicht. Man muss sich immer um den Körper kümmern, und weil man irgendwann sich so gut kennt, weiß man genau, was man Essen kann und was nicht, oder was nicht so oft.

Was ich in der Ausbildungszeit immer noch als unheimlich stressig empfunden habe ist, dass unheimlich viel Druck um das Gewicht gemacht wurde. Es ist doch ganz normal, letztendlich, dass bei einem heranwachsenden Teenager auch mal Gewichtsschwankungen sind. Ist ganz normal. Das war immer eine Riesenpanik an dem einen Tag in der Woche, das war der Wiegetag, dann hat grundsätzlich keiner vor dem Wiegen was gegessen.

Das war einfach ein Riesenthema, und es war einfach anstrengend und hat viel Stress gemacht. Ich hoffe, dass sich da auch ein bisschen was verändert, das dann nicht mehr dieses Bild zu sehr vorherrscht?

Inwiefern bist du zufrieden mit deinem Leben, alles zusammen betrachtet?

Ich bin mit meinem Leben, alles zusammen betrachtet, zufrieden. Ja.

Es gibt schon Momente, da ist man so ein bisschen wehmütig, weil man irgendwann einfach auch erkennt, dass es nie wieder so sein wird. Man sieht jüngere Tänzer oder eine Vorführung oder sowas, und dann fliegen die über die Bühne und so weiter. Dann gibt es schon Momente, wo man sich an dieses Gefühl erinnert, egal ob auf der Bühne oder im Ballettsaal, oder an dieses Trainieren und dieses Grand Jeté springen oder Fouettes drehen, was auch immer, den Raum zu nehmen, durch die Luft zu fliegen. Oder auch Partner-Arbeit zu machen und irgendwie coole Choreographien… Es gibt schon Momente, da denk ich sehnsuchtsvoll, denk so, ach, das war echt eine tolle Zeit, aber man weiß auch, ich wäre körperlich jetzt gar nicht mehr dazu in der Lage. Aber ich kann das akzeptieren, also Ja.

Franziska, Gelsenkirchen 2003

Wenn du nochmal geboren würdest, würdest du wieder Tänzerin werden?

Ich fürchte ja. Meine Tochter steht auch dreimal die Woche im Training, und mein Sohn, da war jetzt auch die Überlegung mit Leistungsturnen, ja nein, hin her. Und ich werde viel gefragt – was ich eigentlich immer eine sehr interessante Frage finde – ob man das zum Beispiel für seine Kinder wollen würde, wenn man den Werdegang weiß und was es bedeutet und was der Preis ist. Und dass finde ich sehr, sehr schwer zu beantworten. Ich weiß aber, wenn es aus einem selber kommt, dann muss man das sowieso tun, dann kann man gar nicht anders.

Gibt es sonst noch was, was du gern sagen oder ergänzen würdest?

Man kann junge Tänzer eigentlich nur ermutigen. Ich hab Respekt vor jungen Tänzern, denn ich glaube, es ist sehr viel härter geworden würde ich sagen. Die Gagen, glaub ich, auch weniger geworden. Man muss sehr viel Mut haben und positive Energie, es zu wagen Tänzer zu werden. Es ist einem Traumberuf. Ja, so hart es noch ist, aber er hat wirklich traumhafte Seiten. Aber ja, ist halt immer ein Paket.