Esmeralda Maycas

Interview, 17.  Mai 2022

Esmeralda, Berlin 2022

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Warum bist du Tänzerin geworden…? Gab es alternative Ideen?

Ich glaube, ich wurde als Tänzerin geboren.

Denn seit ich klein war, habe ich zu Hause immer getanzt, und ohne zu wissen, dass es diesen Beruf gibt, habe ich den ganzen Tag getanzt, meinen Körper bewegt und mich in seltsame Positionen begeben, immer zur Musik. Ich habe immer Musik gehört und war sehr, sehr gut mit ihr verbunden, sehr mit ihr verschmolzen. Wenn ich Musik hörte, musste ich mich im Grunde bewegen.

Es ist lustig, wie ich angefangen habe, denn ich komme aus einer Mittelklassefamilie, aber ohne eine sehr ausgeprägte Kultur, und ich wusste nicht einmal, dass es diesen Beruf gibt. Als ich etwa 10 Jahre alt war, sagte mein Nachbar, zu dem wir ein sehr gutes Verhältnis hatten, er malte und spielte Klavier, obwohl er Polizeikommissar war, und da wir uns immer gegenseitig besuchten, sagte er immer, dieses Mädchen ist eine Tänzerin, dieses Mädchen ist eine Tänzerin. Bis sie meine Mutter zwangen, mich in einer Tanzschule unterzubringen. Aber meine Mutter hat nachgefragt, und es war zu teuer, also hat sie es gelassen. Dann sagte Carmen, seine Frau, wenn du sie nicht anmeldest, dann melde ich sie an, denn dieses Mädchen muss tanzen. Und so habe ich angefangen.

Eigentlich konnte ich mir auch nichts wünschen, denn ich wusste nicht einmal, dass es Tanzakademien gab. Ich war 12 Jahre alt. Inzwischen waren zwei Jahre vergangen. Und ich muss hinzufügen, dass ich mir mit 6 Jahren eine Krankheit eingefangen habe. Aus einer schlecht ausgeheilten Mandelentzündung entwickelte sich eine ernstere Krankheit, die mich fünf Jahre lang daran hinderte, irgendeine Art von Sport zu treiben. In der Schule konnte ich also nicht turnen, ich konnte gar nichts machen. Ich konnte nicht einmal mit meinen Klassenkameraden spielen. Ich meine, spielen ja, aber nicht laufen oder andere körperliche Aktivitäten. Und die Wahrheit ist, dass ich mich an eine Zeit erinnere, die ein bisschen, na ja ….

Es ist schon komisch, denn ich war schon immer ein sehr einsamer Mensch, der sehr gut mit sich selbst auskam, und manchmal verstehe ich auch, warum. Ich wurde nie wirklich allein gelassen. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass ich ausgegrenzt wurde, ganz und gar nicht, denn ich war gleichzeitig sehr gut in die Gruppe integriert, weil ich nie Sozialisationsprobleme hatte. Und ich hatte immer jemanden an meiner Seite, entweder weil sie/er nicht spielen wollte oder weil sie/er es nicht konnte. Aber natürlich, wenn es eine Gruppendynamik gab, wenn sie dort spielten und ich nicht dabei war, dann fühlte ich diese Einsamkeit, abgesehen davon, dass sie Teil meiner Persönlichkeit und meines Charakters ist.

So war es also, dass ich von meinem 7. bis meinem 12. Lebensjahr still stand. Und als ich 12 war, konnte ich in der Schule mit dem Turnen anfangen, und wir hatten eine wunderbare Lehrerin namens Petra. Sie hat uns auch alle Arten von körperlichen Aktivitäten wie Pferd, Sprungkasten, Basketball und Fußball angeboten. Aber auch alle Arten von Tänzen, griechische Tänze, Tänze aller Art, sie gab uns sogar Mime und spielte auf Marcel Marceau an. In jenem Jahr dachte ich also: „Wow, all das, was ist das?

Und als das Schuljahr zu Ende war, erinnere ich mich, dass meine Lehrerin Petra mich unten in der Umkleidekabine, als wir uns umzogen, beiseite nahm und mir sagte, dass es nächstes Jahr hier an der Schule außerschulischen Ballettunterricht geben würde. Sie sagt zu mir: „Du bist wie eine kleine Porzellanpuppe“. „Du bist eine Ballerina“, sagt sie, „du solltest kommen und tanzen, denn du bist wie eine Porzellanpuppe und du musst tanzen“.

Und dann war es genau in diesem Jahr, dass ich, dank meiner Nachbarn, an der Akademie bei Maestro Magriñá anfangen konnte.

Und von da an entwickelte sich alles. Du beginnst mit dem Unterricht und merkst, dass du dich wie ein Fisch im Wasser fühlst und dass dies deine Lebensweise ist. Aber es war nicht einmal eine bewusste Entscheidung. Ich glaube, das war mir einfach in die Wiege gelegt. Ich wage zu behaupten, dass es mein Schicksal ist, denn manchmal wollte ich mich aufgrund von Lebenssituationen vom Tanz distanzieren und andere Zwecke, andere Ziele verfolgen, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten oder was auch immer, und trotzdem hat mich das Leben wieder zum Tanz zurückgeführt. In jeder seiner Formen. Jetzt als Lehrer und seit vielen Jahren, kurzum… Mit anderen Worten, dass ist mein Schicksal. Für mich ist das ganz klar. Und jetzt, in der heutigen Zeit, habe ich auch andere Dinge gelernt oder verstanden.

Wie war Dein Leben als Tänzer? Wann warst du wo? 

Nun, wie ich schon sagte, war es mein Lebensweg und meine Bestimmung, Tänzerin zu sein, aber nicht ohne eine Menge Anstrengung und viele Kämpfe zu bestehen und zu gewinnen. Denn so wie es Menschen gab, die an mich glaubten, so gab es auch Menschen, oder insbesondere eine Dozentin, die nicht an mich glaubte. Diese Person hat mich auf psychologischer Ebene sehr, sehr verletzt. Die Sache ist die, dass ich eine Person war, die sich darüber im Klaren war, ich habe den Charakter, dass ich, wenn ich etwas will, es auch durchziehe, also war ich mir damals des Schadens, den diese Person mir zufügte, nicht bewusst und machte weiter. Das wurde mir erst Jahrzehnte später klar, als ich selbst unterrichtete.

Das war in der Tanzhochschule. Ich, weil ich den Charakter habe, den ich habe, bin weitergekommen, aber diese Frau hat vielen Menschen Schaden zugefügt, Menschen, die sehr wertvoll waren, oder die ihren Weg hätten machen können. Denn es gibt viele Wege in diesem Leben als Tänzer, nicht alles muss „Erfolg“ sein und in den Zeitungen stehen. Als Mensch, als Tänzer, das zeichnet dich aus. Die Schule markiert dich. Ob sie dir Vertrauen schenken, ob sie dir kein Vertrauen schenken, ob sie dir unterstützen, ob sie… kurz gesagt, wie dein Prozess aussieht. Denn es handelt sich natürlich um junge Menschen, um Teenager, die sich in der Ausbildung befinden und daher sehr anfällig sind. Aber abgesehen davon hat diese Frau nicht an mich geglaubt, und weil ich so stur bin, habe ich die Kurse bestanden. Aber am Ende war ich schon sehr müde, und dann, wie das leben so will, bekam ich dieser Gelegenheit, nach Torrelavega zu gehen. Und es ist auch merkwürdig, wie das Thema aufkam. Ich musste nämlich mein letztes Jahr in der Tanzhochschule absolvieren, und wir waren im Sommer, im August, alle zusammen im Unterricht, das heißt, Leute aus verschiedenen Schulen, hier in Mayor de Gracia, in einer Wohnung in Mayor de Gracia. Es gab Leute, die von überall her kamen, und wir haben den Unterricht selbst gemacht, jeder von uns hat den Unterricht abwechselnd an einem anderen Tag gegeben und so weiter. Das war gut, denn damals gab es im August natürlich noch keine Sommerkurse.

Wir haben uns also auf diese Weise durch das Leben geschlagen, und ehrlich, es war gut so.

Und dann ist es so gekommen, dass einige der Tänzer gehört hatten, dass in Kantabrien eine Companie gegründet wurde, und sie beschlossen, dorthin zu gehen um vorzutanzen, und sie erzählten uns davon. Sie hatten also einen Lieferwagen gemietet um dahin zu fahre. Und einen Tag vor der Abreise kamen sie zu mir und sagten mir, dass eines der Mädchen, das mitfahren sollte, ich weiß nicht warum, nicht mitfahren konnte, also fragten sie mich, ob ich mitfahren könnte. Ich habe ihnen gesagt, dass ich nicht zum Vortanzen gehe, dass das nicht in meinen Plänen steht, weil ich noch einen Kurs zu absolvieren habe. Ein Kurs an der Tanzhochschule mit Hans Wrona.

Sie bestanden darauf: dass wir eine tolle Zeit haben werden, dass wir einen Van mit einem Fahrer gemietet haben, der ein sehr netter Mensch ist, und dass wir viel Spaß haben werden. Und da ich nun einmal so bin, bin ich mitgefahren. Eigentlich wollte ich nirgendwo hinfahren, aber sie haben mich überzeugt und ich bin mitgegangen. Und die Sache ist die, dass beim Vortanzen nur ich als Einziger einem Engagement bekommen habe!

Also dachte ich darüber nach und fand das Konzept dieser Companie gut, und auch mein Alter und die Zeit, in der ich war, ich weiß nicht, ob ich 18 oder 19 war, war es eine gute Idee. Also habe ich mir gesagt, na ja, wenn sie mich hier wollen und dort nicht, den es ist so, diese Frau quält mich, wegen meine Figur, wegen mein fehlende en dehors, weil ich diese und jenes nicht habe, kurzum… Na ja, sie mochten mich hier, dann komme ich doch eben, Punkt, das war’s. Und ich bin gegangen.

Tja, und dann ist diese Companie natürlich, wie alle Tanz Companien in Spanien, nach einem Jahr verschwunden.

Dann bin ich ein Jahr lang in Barcelona geblieben, weil der damalige Solotänzer von Covent Garden, vom Royal Ballet, nach Barcelona kam um auch eine Tanzkompanie zu gründen, und alles in allem war es die gleiche Geschichte. Ich wollte nicht gehen, weil ich meinen Kurs am Institut beenden wollte. Außerdem sagte ich mir, alle „begabten“ Mädchen aus Barcelona werden Vortanzen und dieser besagte Frau sitz in der Jury, ich will also nicht hin, mein Gott, nein und nein und nein und nein. Und Maite Bisetti sagte mir: „Esmeralda, aber komm, aber es ist gleich hier in Barcelona, wir gehen alle hin, wir gehen alle hin, wir gehen alle hin, wir gehen alle hin, du musst kommen, es ist nichts, es ist nur ein Training“. Also bin ich zum Vortanzen hingegangen. Das Vortanzen dauerte drei Tage. Und ich erinnere mich, dass am ersten Tag Miguel Montes in der Jury saß. Er saß die ersten beiden Tage in der Jury, denn die Teilnehmer kamen aus ganz Spanien. Die Leute kamen aus Madrid, aus Saragossa, kurzum… Und ich erinnere mich, dass Miguel Montes nach der ersten Stunde zu mir kam und sagte: „Aber Esmeralda, was hast du getan?“ Ich hatte gerade ein Jahr in Torrelavega verbracht, wo sich meine ganze Muskulatur, dank der Arbeit von Esbieta Jaron, verändert hatte, weil sie mir beibrachte, wie man mit dem en dehors zu arbeiten hatte. Das war eben so, und natürlich haben sich meine Beine verändert, sie sind länger geworden, meine Muskeln sind länger geworden, und natürlich, wenn es einem gut geht, ist man auch anders drauf. Und Miguel Montes sagte mir, dass er mich nicht erkannt hat, dass er mich am Anfang nicht erkannt hat, dass er mich zweimal anschauen musste, „wie war das möglich“ sagte er. Und ich war sehr aufrichtig, denn ich wollte ihm natürlich sagen, dass die Direktorin, den Sie haben, schrecklich ist. Ich habe also auch die zweite Phase des Vortanzen bestanden, und dann kamen die Variationen. Am dritten Tag sind wir zu einem Theater gegangen um Repertoirevariationen vorzutanzen. Ich bin also hingegangen und meine Variation des Schwanensee vorgetanzt. Und was ist passiert? Sie haben nur mich mitgenommen! Von all den Mädchen! Ich glaube nicht, dass sie mir das bis heute verziehen haben. Aber wie das Leben so ist! Unglaublich! Ich hatte eine sehr saubere Technik, ja, denn ich war von Natur aus schon immer sehr analytisch. Wenn man bestimmte Behinderungen oder Handicaps hat oder diese Möglichkeit nicht hat, ist man natürlich gezwungen zu analysieren, wie man es macht, um die Bewegung und das Management zu optimieren.

Nun, auch dieser Companie hielt nur ein Jahr, denn natürlich sind wir wieder bei der gleichen Sache: Spanien.

Aber gut, sowohl in der Ballet de Torrelavega als auch in dieser Companie habe ich viel gelernt. Ich habe gelernt, nun ja, was man in einen Tanzkompanie lernt, im Grunde habe ich gelernt, wie man arbeitet. Es ist sehr wichtig, seine Arbeit zu verändern, sie zu personalisieren und Erfahrungen zu sammeln, und vor allem lernt man von seinen Kollegen, was sehr wichtig ist, und beim Ballet de Barcelona war ich sehr dankbar dafür, denn es kamen viele Tänzer, wie David Campos, Irene Sabas, dieser Franzose, Silván, es gab auch Marta Munsó, also Leute, die schon seit vielen Jahren in diesem Beruf waren. Für mich war das also ein Bezugspunkt. Ich habe wirklich eine Menge gelernt und hatte eine tolle Zeit. Und ja, die Companie bestand ein Jahr lang. Sie halten sich hier in Spanien nie länger als ein Jahr.

Dann ging ich nach Deutschland, wo ich drei Jahre in Kaiserslautern und drei Jahre in Darmstadt verbrachte und dann als freischaffender Tänzerin in Frankfurt arbeitete. Und alles ist eine Entwicklung, denn wenn man ein kleines Mädchen ist, stellt man sich vor, wie man tanzt, dann sieht man das Klassische Repertoire, und irgend wann wird das Klassische Repertoire Geschichte, und nun, mein Leben als Tänzerin… die Wahrheit ist, dass für mich das Hauptziel war immer, glücklich zu sein.

Es geht nicht darum, irgendetwas zu erreichen oder … was weis ich, dass, was einige Tänzer, bei allem Respekt, verkünden, ich aber nicht teile. Wie zum Beispiel diesen einen renommierte Tänzer der in einer Fernsehsendung, so sehr damit geprahlt hat, dass Tänzer in Amerika wie Fußballspieler hier in Spanien seien. Ich verstehe, warum er das gesagt hat, aber die Botschaft, die er in dieser Sendung vermittelte, war für mich ziemlich schlimm, denn es war so, als ob Erfolg, Erfolg, erfolgreich zu sein, auf den Plakatwänden zu stehen, von Tausenden von Zuschauern beklatscht zu werden, vorsichtig zu sein, weil die Leute neidisch auf einen sind, und am Ende hat man keine Freunde. Das hat mich beeindruckt, weil ich genau gegen all das bin. Und klar, diese Sendung wird vielleicht von Jugendlichen gesehen wird, die gerade ihren Tanzstudium machen. Nun, das ist eine Botschaft, die mir ganz und gar ganz passt. Ich kann respektieren, dass jeder seine eigenen Ziele im Leben hat. Ich kann das sogar verstehen, aber es scheint mir nicht das Richtige zu sein, um glücklich und ruhig zu sein und Frieden in seinem Leben zu haben. In meiner Karriere als Tänzerin war ich immer sehr zufrieden mit dem, was ich gemacht habe. Aber gut, es gab auch schwierige Momente, die aus verschiedenen Gründen und auf unterschiedliche Weise schwer zu bewältigen waren. Aber gut.

Was war gut, was hast Du Dir vielleicht anders vorgestellt? 

Als ich in der Tanzakademie war, habe ich mir überhaupt nichts vorstellen können, eben weil wir hier in Spanien keinen wirklichen Bezugspunkt hatten und haben. Ich habe mir nichts Bestimmtes vorgestellt, aber ich wusste, dass mein Platz nicht hier war, das wusste ich. Ich wusste, dass mein Platz im Ausland war, und ich wusste, dass mein Job das Tanzen war, und nicht das Training an der Companie geben oder das Verlegen von Linoleum oder das Nähen von Kostümen. Mit anderen Worten: Ich musste mich dem Tanzen widmen und durfte nichts anderes tun. Denn hier in Spanien ist es so, dass es um Projekte gehet, und jeder muss alles mitmacht… Erinnere dich an Guillermina Coll, die den Unterricht gab, singte, die Proben leitet… Nun, ich weiß nicht, ich denke, dass der Beruf jedes Einzelnen geschätzt werden sollte, das heißt, der Ballettmeister ist der Ballettmeister, der Pianist ist der Pianist und der Techniker, der das Linoleum verlegt, nun, der Techniker ist. Denn sonst macht am Ende jeder alles und, ich weiß nicht, ich weiß nicht, na ja, was mir klar war, war das. Aber ich habe mir nichts vorstellen können wie es sei würde oder sollte. Was ich aber als ich nach Deutschland ankam, zu schätzen wusste, war, dass es natürlich den Garderobiere, den Pianisten der Verwaltung gibt, dass es, nun ja, alles gibt, was da sein sollte, wovon ich gerade gesprochen habe.

was war besonders schön, was ist in besonders guter Erinnerung geblieben?

Nun, das Schönste für mich war, auf der Bühne zu stehen, allso, auf der Bühne zu tanzen. Und für mich war es wirklich beeindruckend, denn ich habe nicht erwähnt, dass ich eigentlich am Teatro del Lice in Barcelona, an die Opern angefangen habe. Ich erinnere mich, dass meine erste Oper La Gioconda war. In der Ouvertüre stand das Ballett während der gesamten Ouvertüre still auf der Bühne. Und davor war eine Art Gaze. Als ich das erste Mal dort war, war ich natürlich sehr beeindruckt, denn erstens ist es ein großes Theater, und ich fühlte… Es ist seltsam, denn es herrschte absolute Stille, aber man hört das Geräusch der Stille, man hört die verdichtete Energie der Menschen. Dass hatte einen großen Einfluss auf mich. Denn wenn man die Leute reden und lachen hört, ist das normal, aber diese Energie zu spüren, war wie ein Widerspruch. Damals war ich völlig baff. Außerdem erinnere ich mich jetzt noch daran, weil es mich wirklich beeindruckt hat, und dass sind die Dinge, an die ich mich wirklich erinnere. Na ja, und dann tanzen, tanzen auf der Bühne, nur auf der Bühne. Egal, ob es sich um ein Musical, eine Oper oder einem Ballett handelt. Mann, ich würde lieber eine Oper oder ein Musical machen als eine Choreografie, die ich nicht mag oder die ich schrecklich finde. Wie war das? Ich glaube, es war in Kaiserslauter, ja, Peer Gynt… Schrecklich. Peer Gynt, diese Choreographie, für die ich mich fast geschämt habe.

Ehrlich gesagt, habe ich nie Sehnsucht gespürt. Aber ja, am meisten erinnere ich mich daran, dass ich mit allen meinen Kollegen eine tolle Zeit hatte. Immer, im Unterricht, in den Pausen. Das hat mir schon immer gefallen, auch weil es ein Punkt ist, den ich immer mochte, im Ausland zu sein und mit allen möglichen Leuten verschiedener Nationalitäten zusammen zu sein und zu lernen. Der Tanz hat mich sehr bereichert, weil ich im Ausland mit Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammen war. Und ich glaube, ich bin sehr offen. Ich meine, wenn mir etwas nicht gefällt, ziehe ich mich zurück, das ist klar, aber im Prinzip bin ich offen. Ich bin kein verschlossener Mensch, der an seiner Sprache und Kultur festhält und sich nicht integriert. Im Gegenteil, ich denke, es hat mich sehr bereichert und ich schätze es sehr. Für mich ist das eine unausgesprochene Tatsache. Und es ist ein großer Unterschied, wenn man mit Menschen zusammen ist, die diese Art von Leben nicht durchgemacht haben. Ich erinnere mich mit großer Freude an mein Leben als Tänzerin. Natürlich hatte man bei einigen mehr Vertrauen als bei anderen, das ist immer so, aber ich hatte immer eine tolle Zeit. Ich war glücklich. Deshalb sage ich meinen Schülern immer: Ich empfehle…. Es ist so, was du etwas fühlst: Wenn du es fühlst, tu es!

Natürlich kann es Behinderungen geben und Dinge, die in Wirklichkeit nicht funktionieren, ich weiß es nicht, auch das vergesse ich, denn insgesamt war ich glücklich.

Die Ankunft in Kaiserslautern war ein Schock, denn wir kamen in den 1980er Jahren nach Deutschland. Ja, wir sind ’87 angekommen, das ist nicht das Deutschland von heute. Ich erinnere mich an den ersten Tag, an dem ich zur Ausländeramt wegen der Aufenthaltserlaubnis ging. Es war, als würde ich zur Gestapo gehen, ich weiß nicht, weil der deutsche Charakter in bestimmten Bereichen sehr unterschiedlich als unserer ist, in bestimmten Bereichen kann er sehr grob sein. Und damals, ich erinnere mich, dass Ausländer immer noch… Nicht wenn man in einem Supermarkt war, aber bei die Polizei, pass auf! Nun, ich habe dieses Gefühl, diese Erinnerung. Für mich war es, mein Gott, ziemlich unangenehm, und dann, na ja, die amerikanischen Soldaten auf der Straße zu sehen. Natürlich, war es eine besetzte Zone. Ich glaube, es dauerte noch mindestens ein Jahr oder länger. Man sah amerikanische Soldaten in Tarnkleidung mit ihren Waffen auf den Straßen. Und dann, ich habe es fest im Gedächniss aufgezeichnet, hatten wir im Theater, in der Garderobe, die Ruinen dessen, was von der Burg übrig war, direkt vor uns. Ich erinnere mich genau: Ich schaute aus dem Fenster, und da waren die Ruinen. Also, Sonntags, wenn wir um 19 Uhr eine Aufführung hatten und um 4.30 Uhr schon im Theater waren, zwischen Unterricht, Schminken und ich weiß nicht was, also, wir haben uns geschminkt… Also, es hat nicht geregnet, aber als ob, der Himmel war dunkelgrau, fast schwarz, die Ruinen vor uns, und obendrein konnte man die Sirenen hören, weil sie Kriegsübungen machten. Natürlich sah ich mich an einem Sonntag ganz niedlich mit falschen Wimpern, und schaute an diesem absolut grauen, fast schwarzen Tag nach draußen, mit den Ruinen des Schlosses und den Sirenen, und ich sagte mir, was mache ich hier? Aber gut, es dauerte so lange wie es dauerte, und dann machte ich mit meinem eigenen Ding weiter. Allmählich habe ich mich daran gewöhnt.

Als du in der Tanzakademie warst, was für eine Vorstellung deines Lebens als Tänzerin hattest du? Deine Vorstellungen, deine Träume: Diskrepanz zwischen Wunsch und Wahrheit. Ist es so geworden, wie du es dir gedacht hattest? 

Ich habe fast nie Erwartungen an irgendetwas, ich lebe in der Gegenwart und tue, was ich fühle, also denke ich, dass es auch damals so war.

Tanzen und Privatleben / private Beziehungen
Wie ließ sich das vereinbaren? Welche Probleme gab es?

Nun, für mich persönlich war es kein Problem, private Beziehungen mit dem Tanz zu verbinden, denn ich war alleine, ohne meine Ältern hier. Wenn man reifer wird und sein eigenes Leben führt, lernt man nach und nach die Menschen kennen, die man an seiner Seite haben möchte, und dann, na ja, kommen sie rein, gehen sie raus und das war’s. Um ehrlich zu sein, hatte ich keine Probleme.

Mit anderen Worten: die Möglichkeit, Berufs- und Familienleben miteinander zu verbinden.

Es stimmt auch, dass als ich meine Töchter bekam, beschloss, nach Spanien zurückzukehren. Aber ich denke, dass das Leben eines jeden Menschen sehr unterschiedlich ist. Wäre ich also in Deutschland geblieben, hätte ich sicher meine Rolle als Mutter mit meinem Beruf verbinden können. Ich habe sogar Kollegen gehabt, die das getan haben. Aber jeder hat seine eigenen Prioritäten, wenn es darum geht, mehr im Beruf zu sein oder… Ich weiß nicht, es gibt Möglichkeiten, Kinder zu erziehen, ohne den Beruf aufzugeben. Es gibt Menschen, die wollen eine Zeit lang alles aufgeben und sich mit Leib und Seele ihren Kindern, ihrer Familie widmen. Es gibt andere, die das 50 % tun. Aber gut, in meinem Fall war es so, dass ich nach der Geburt meiner Töchter nach Spanien zurückkehrte. Und ja, ich war 32 Jahre alt und wollte das Tanzen aufgeben.

Wie hast du nach einem neuen Job gesucht? Hast du explizit versucht, im Bereich der Kultur, des Theaters oder der Tanz zu suchen, oder war es Zufall? Wie bist du zu deinem neuen Job gekommen…?

Mit dem Tanzen aufzuhören und nach Spanien zurückzukehren waren simultane Ereignisse. Es ist also anders, denn wie ich schon sagte, wenn ich in Deutschland geblieben wäre, hätte ich gewusst, dass ich Hilfe bekommen könnte, um mich in einem anderen Bereich auszubilden. Was auch immer es gewesen währe, ich hätte Möglichkeiten gehabt.

Die Ankunft in Spanien war wie ein Neubeginn. Natürlich ist das so, wenn man zwei Töchter zu versorgen hat, für mich war das Panorama ganz anders. Aber das Wichtigste für mich war, meine Töchter voran zu bringen. Es war mir also egal, ob ich an irgendetwas arbeiten musste. Aber trotz allem kam nichts dabei heraus. Zuerst machte es mir nichts aus, weil ich mit meinen Töchtern zusammen war, aber dann, wie ich zu Beginn des Gesprächs sagte, nahm mich das Leben mit, ohne dass ich es wollte. Jemand erzählte mir, dass sie jemanden suchten, um Ballettunterricht zu geben, also fing ich an, denn da sich nichts anderes ergab, nahm ich wenigstens das. Ich erinnere mich sehr gut daran, dass ich auch nach Martorell gegangen bin. Ich unterrichtete in Martorell. Meine Töchter waren noch nicht einmal ein Jahr alt und, nun ja, ich habe dort angefangen. Dann rief mich Lali an, um in ihrem Studio Unterricht zu geben, und dann kam alles ins Rollen, und ich gab bereits in fast allen Studios in Barcelona Unterricht. Und bald darauf unterrichtete ich in allen zeitgenössischen Tanzkompanien in Barcelona, bis ich zum Institut kam. Mit anderen Worten: Es hat sich alles von selbst ergeben. Ja, ja, die Wahrheit ist, dass es keine aktive Entscheidung war, es hat sich einfach ergeben.

Wie zufrieden bist du mit deinem neuen Job…?

Nun, sieh mal, 200 %.

Ökonomisch / Finanziell…?

Mir geht es fantastisch.

 Wie war es vorher, wie ist es jetzt?

Ich muss sagen, was die wirtschaftliche Sicherheit angeht, außer in den ersten zwei Jahren, bei den ersten beiden Tanzkompanien, die ich erwähnt habe, in Spanien natürlich, weil das, egal was, auf wirtschaftlicher Ebene ein Unsinn war, aber sobald man nach Deutschland geht, hat man alles. Alles, was man haben muss. Du Hast dein Gehalt, Du Hast dein Sozialversicherung und alles andere. Du lebst also auf diese Weise und leben in Frieden. Nun, man ist kein Millionär, aber es reicht, um allein zu leben, und als ich dann nach Spanien zurückkehrte, war es anfangs schwieriger, weil alles schwarz war, weil die Tanzschulen schwarz bezahlten und ich viel arbeiten musste, um mich zu ernähren.

Von dem Moment an, als ich dem Institut beitrat, war es dasselbe wie in Deutschland. Da das Institut dem Provinzialrat gehört, wird es in Wahrheit recht gut bezahlt. In Bezug auf Geld und Arbeitsplatzsicherheit ist es sehr vergleichbar mit Deutschland.

Für mich war es immer ein Privileg, mich dem zu widmen, was ich auch umsonst getan hätte, wie man so schön sagt, und noch dafür bezahlt zu werden. Denn Tanzen auf der Bühne ist für mich kein Job. Jetzt, wo ich in meinem Alter bin, ist der Unterricht natürlich anders. Aber wenn ich unterrichte, wenn ich im Klassenzimmer mit den Schülern zusammen bin und sie mir Feedback geben, komme ich mit mehr Energie aus dem Unterricht, ich bin nicht müder. Was mich nervt, sind die Sitzungen und die Protokolle und solche Dinge.

Aber das Tanzkarriere, im Bezug auf das Lebensunterhalts, ich, die Wahrheit ist eines der ersten Dinge, die ich meinen Studenten vermittle: Sie können sehr gut damit leben, und in der Tat, mit den beiden Krisen, die wir hier in Spanien durchgemacht haben, habe ich nichts bemerkt, nicht einmal jetzt mit der COVID. Als fest angestellter Lehrer spreche ich natürlich nur für mich.

Ich ermutige meine Schüler und erkläre ihnen, dass sie sich in diesem Beruf entfalten und ein sehr anständiges Leben führen können, Punkt. Weil ich glaube, dass es wahr ist, ich erzähle da keine Lügen. Ich sage ihnen, dass es in Spanien keine Kompanien gibt und sie deshalb nicht in Spanien bleiben können. Die Zukunft liegt natürlich im Ausland. Hier (in Spanien) gibt es nichts. Du kannst ins Nacional gehen, wenn du willst, aber dort werden dir nicht einmal 1000 € gezahlt. Und sogar, vor einiger Zeit, alle Überstunden gestrichen wurden, erhalten sie keine Überstundenvergütung. Kurz gesagt, sehr schlecht, sehr schlecht. Mit anderen Worten: Das Wenige, was es gibt, gibt es unter schrecklichen Bedingungen.

Nun, wenn du freiberuflich tätig bist, begehest du natürlich ein Risiko ein, das ist eine andere Sache, aber das ist deine eigene Entscheidung. Wen du in einem festen Theater nicht sein willst, das ist in Ordnung. Das hat natürlich Folgen, aber du hast die Möglichkeit dazu. Sage ich.

Was würdest du junge Tänzer*innen raten…? Wie sollen sie, im Vorfeld, mit der Vorstellung/Tatsache, umgehen, dass Tanzen nicht für immer ist

Den Schülern, den jungen Leuten von heute, braucht man nicht zu sagen, dass das Tanzen nicht für immer ist, denn die neuen Generationen, schon seit einigen Generationen, sind nicht wie wir, die etwas fürs Leben nehmen. Das ist schon seit vielen Jahren nicht mehr der Fall.

Die Menschen, aus welchen Gründen auch immer, denn so wie die Dinge heute sind, wie sich die Gesellschaft entwickelt hat und entwickelt, all die Möglichkeiten, die es gibt, und wie sie miteinander verbunden werden können, und es gibt so viele Informationen und so viel zu tun, dass alles ein viel früheres Verfallsdatum hat. Ich persönlich erkläre das also gar nicht, weil sie es selbst schon für selbstverständlich gehalten haben. Außerdem können sich die jungen Leute von heute nicht so weit in die Zukunft orientieren. Nein

…in Gegensatz, in Kontrast zu Andere Berufe…?

Nun, ich bin nicht der Meinung, dass sie glauben, dass Tanzen etwas fürs Leben ist. Es gibt einen roten Faden, der sich durch das ganze Leben ziehen kann, der aber gleichzeitig mit dem zweiten Faktor zusammenhängt, den ich im Folgenden erläutern werde.  Und zwar, dass das Kunststudium heute zwar spezialisiert, aber konzeptionell viel offener ist. Wir zum Beispiel, vor allem bei Oriol-Martorell, sind uns sehr bewusst, und das vermitteln wir auch unseren Studenten, dass der professionelle Tanzabschluss viele Möglichkeiten bietet. Man kann einen professionellen Tanzabschluss als Tänzer machen, aber zum Beispiel Kulturmanagement oder Pädagogik studieren, um ein höheres Niveau zu erreichen, oder dasselbe für Choreografie oder technische Fähigkeiten oder in Verbindung mit Kunst… Ich habe einen Studenten, der Kunst und Tanz miteinander verbinden möchte. Sie ist eine sehr gute Künstlerin, eine bildende Künstlerin, und schließlich entschied sie sich, in Den Haag einen Bachelor of Fine Arts zu machen und nicht Tanz zu studieren. Aber auch in Den Haag ist sie sehr stark mit dem Tanz verbunden. Heutzutage sind die Studien viel breiter gestreut, d. h. sie sind nicht mehr so zentralisiert.

Die meisten Schüler, die ich hatte, haben mit 25 oder 27 Jahren aufgehört zu tanzen. Sie haben ein bisschen getanzt, und es ist nicht so, dass sie es schlecht gemacht hätten, sondern dass sie andere Interessen haben. Sie haben gelebt, das war’s, und es ist, als ob alles viel schneller gelebt wird. Sie haben diese Erfahrung gemacht, aber sie haben erkannt, dass sie auch andere Ziele dazu haben. Der Wunsch nach einem anderen modus vivendi, um es einmal so auszudrücken. Ich habe einen Schüler, Rouge Cabrera, von dem ich dir vorhin erzählt habe, der ein echtes Prachtstück war. Er ist ein echter Schatz. Er war drei Jahre lang bei mir am Institut, dann sagte er mir, er wolle weg, also schickte ich ihn zum Studieren und er landete an der Stuttgarter Ballett Schule. Danach war er vier Jahre lang beim Stuttgarter Ballett. Dann ging er zum Tschechischen Nationalballett. Dort wurde er zum Solisten befördert, und nun wurde er zum führende Solisten (Principal) ernannt. Er wurde befördert und dennoch sagte, er wolle nicht mehr tanzen. Er will nicht mehr, in Anführungszeichen, tanzen, denn er will nicht mehr in diesen großen Tanzkompanien tanzen, mit allem, was dazu gehört. Er ist mit seinem dortigen Freund nach Costa Rica gereist. Sie haben ein Kulturzentrum eröffnet, und er bewegt sich auf seine Weise, freiberuflich und mit dem Kulturzentrum, wo sie alles natürlich, ökologisch und nachhaltig machen. Heutzutage sind die Menschen in einer anderen Situation, das habe ich dir gestern schon gesagt, es ändert sich.

Es ist Natürlich so, dass wir, Menschen unseres Alters, immer noch in dieser Lebensweise verankert sind, aber die Dinge haben sich geändert…

Korrigiere mich, wenn meine Erinnerungen falsch sind, aber ich erinnere mich, dass wir im Instito del Teatro praktisch in dem Glauben erzogen wurden, dass wir große Solisten werden würden. Das heißt, es gab auch einen Wettbewerb unter den Schülern, statt einer Freundschaft…

Dieser Art der Erziehung durch Ehrgeiz und Wettbewerb wird in vielen Schulen gefördert, deshalb mag ich die großen Schulen nicht, und immer weniger. Ja, ich finde, dass sie immer weniger mit der Realität übereinstimmen. Für mich steht fest, dass ich so, nicht arbeiten möchte.

Verbesserungsvorschläge im Tanz- Arbeits- Sozial Bereich/Recht…
Vielleicht für Spanien… auch für Deutschland, was immer Sie dort erlebt haben, wenn Ihnen etwas einfällt.

Hier in Spanien müssen die Grundlagen für den Tanz erst noch geschaffen werden. So weit sind wir noch nicht. Da es keine Tanzkultur gibt, vielleicht in andere Kunst Bereiche schon, aber ganz bestimmt nicht in bereich der Tanz. Es gibt keine Kultur. Von da an kann nichts mehr getan werden, und das Wenige, was versucht wird, ist schlecht, weil es an Wissen mangelt, und wenn es an Wissen mangelt, kann man es nicht richtig machen. Du bringst alles nur durcheinander. Dazu kommt das Problem der Korruption. Dann klar, der ist der Freund vom dem, also wird da was gemacht und so weiter, aber am Ende gibt es nichts. Nun, ich spreche über den Bereich des, in Anführungszeichen, klassischen Tanzes. Dann ist noch das ganze Thema des zeitgenössischen Tanzes, bei dem Barcelona in den 80er und 90er Jahren zwar kein Pionier, aber ein starker Punkt auf europäischer Ebene war. Aber auch das ausgelöscht worden. Es gibt auf jeden Fall mehr zeitgenössischen Tanz. Wenn man auf den Mercat de les Flors geht, ist natürlich nur zeitgenössischer Tanz auf dem Programm. Und ja, es gibt Leute, die von hier kommen, aber sie haben ihre Karriere im Ausland gemacht. Nein, hier in Spanien gibt es keine….

Und in Deutschland, ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich dir sagen soll, ich war natürlich seit vielen Jahren nicht mehr in Deutschland, ich weiß nicht, wie die Theaterlandschaft sich entwickelt hat. Ich finde, Theatern in Deutschland funktionieren ziemlich gut. Gut organisiert und gut geführt. Und du kannst anständig davon leben. Ich muss auch darauf hinweisen, dass man in Deutschland, anders als hier, wen man sagt, dass man Tänzerin ist, man wird wohlwollend angeschaut, man wird respektiert, vielleicht sogar bewundert. Nicht hier, um nicht zu sagen, dass du im Gegenteil, fast wie eine Hure angeschaut wird’s.

Wann hast Du aufgehört zu tanzen? Und aus welchem Grund?

Aufgehört zu tanzen habe ich hauptsächlich, weil ich mit meinen Töchtern schwanger wurde. Ich hatte Zwillinge. Der Vater meiner Töchter wollte unbedingt nach Spanien ziehen und dort leben. Damals habe ich natürlich meinem Privatleben absolute Priorität eingeräumt und nicht meinem Berufsleben. Es hat mich nichts gekostet, die Bühne zu verlassen oder sonst etwas. Ich weiß es nicht, es hat sich einfach ergeben. Ich habe einfach aufgehört zu tanzen. Aber ich hatte auch nicht vor, eine Familie zu gründen. Es kam, wie es kam. Und dann, na ja, das war meine Priorität. Es ist wahr, ich erinnere mich, dass es für mich wie ein anderes Leben war. Es war wie ein anderes Leben. Die ersten zwei Jahre, in denen ich hier war und meine Töchter großgezogen habe, war es, als wäre mein früheres Leben ein anderes, ich weiß es nicht. Es fühlte sich nicht wie Kontinuität, ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Wären wir in Deutschland geblieben, wäre es vielleicht anders gekommen. Aber wir sind nach Spanien gekommen, und hier gibt es so etwas nicht. Ich hatte hier keine Vergangenheit und keine Verbindungen. Hier gab es nichts, was eine Verbindung auf professioneller Ebene herstellen könnte. Als Pädagoge, als Lehrer, ja, ich habe es ja geschafft, mich zu etablieren. Aber nicht als professionelle Tänzerin. Deshalb sage ich, dass ich andere Fälle verstehe, aber in meinem Fall war es anders. Plötzlich änderte sich alles. Nun, im Grunde genommen, weil der Vater meiner Töchter fest entschlossen war, nach Spanien zu kommen. Wie ich schon sagte, waren mir meine Beziehung und meine Töchter viel wichtiger als alles andere, also habe ich nicht einmal darüber nachgedacht. Ich kann dir also nicht sagen, was ich getan hätte, wenn ich in Deutschland geblieben wäre.

Wie hat sich das Leben dann geändert?

Bevor ich mit dem Tanzen aufhörte, bevor ich schwanger wurde und nach Spanien ging, war ich allein und hatte alles für mich. Den ganzen Tag, die ganze Zeit, den ganzen Lebensunterhalt. Mit anderen Worten: Du hast alles für dich selbst. Du genießen dein Leben so, wie du es willst. Das ändert sich schlagartig. Aber Vorsicht, ich war sehr zufrieden mit meinen Töchtern. Aber natürlich kostete es mich eine Weile, bis ich meine neue Situation verstand, dass ich nicht allein war. Das war „ich“ mit zwei Dingen, die aus mir herauskamen. Ich bin nicht allein, ich bin nicht mehr allein. Es geht nicht mehr nur um mich. Ich und zwei andere sitzen mit dir fest. Das ist schon sehr seltsam. Natürlich ist es eine Frage der praktischen Umsetzung, denn man hat keine Zeit und keinen Platz für sich selbst….

Aber das Konzept des „Ich“ ändert sich. Auch das verblasst mit der Zeit, Gott sei Dank, denn sonst… Das ist schon lange nicht mehr der Fall. Aber es gibt eine Phase, die am Anfang seltsam ist. Es war ein neues Gefühl des „Ich“. Es war sehr schön. Ich habe die Kindheit meiner Töchter nun ja „glücklich sein“ ist viel zu wenig gesagt. Es war eine wunderbare Erfahrung. Für mich war es so bereichernd, dass es nichts mit dem zu tun hat, was ich vorher erlebt habe. Für mich war es etwas, bei dem ich so viele Dinge entdeckt habe, auch auf der Ebene der Existenz.

Was war die größte Veränderung in deinem Leben, nachdem du aufgehört hast zu tanzen? Fehlt dir das Tänzersein auf der Bühne?

Die Bühne vermisse ich nicht wirklich. Manchmal, wenn ich etwas sehr Inspirierendes sehe, wenn ich ins Theater geht und etwas sehr Inspirierendes sehe, dann projiziert man sich dorthin und erkennt dieses Gefühl wieder… aber gut, es ist völlig flüchtig, es ist eine Erinnerung, es ist ein Moment und das war’s. Aber nein, die Wahrheit ist, dass ich es nicht vermisse.

Würdest du sagen, dass deine Lebensqualität sich verschlechtert hat, oder gar verbessert…

Die Tatsache, dass ich nach Spanien zurückkehrte und ganz von vorne anfangen musste, war natürlich ein sehr schwieriger Anfang. Irgend wie, ist mir immer einen Weg aufgegangen, die Dinge sind immer in meine Richtung gegangen. Nun ja, nicht ohne Mühe, ein Kinderspiel war es nicht. Aber im Prinzip ist es so, dass ich sehr dankbar bin, ich bin sehr dankbar. Zurzeit habe ich zwei Gehälter, eines in der Generalitat und eines in der Diputación, und es geht mir gut. Mit anderen Worten: Es ist ein Luxus. Ich danke dem Universum jeden Tag für alles, was ich habe, besonders hier in Spanien, meine ich. Hier friedlich leben zu können, ist nicht selbstverständlich.

Was hat es mit deinem Privatleben gemacht? Private Beziehungen / Familienleben?

Die Wahrheit ist, dass meine berufliche Veränderung keinen Einfluss auf mein Familien- oder Privatleben hatte. Ich denke einfach, wenn man im Leben präsent ist und das tut, was man glaubt, tun zu müssen, dann passiert das, was passieren muss, und ich vermisse nichts und beschwere mich über nichts. Mit anderen Worten: Ich spiele einfach mit dem Leben. Von da an traf ich eine Entscheidung. Ich bin nach Spanien zurückgekommen und habe meine Töchter bekommen und dann, na ja, ich denke nicht über Dinge nach, ich bin kein Mensch, der zu viel herum grübelt. Es geht darum, was ich tue und was ich nicht tue. Ich fühle mich sehr wohl.

Siehst du es als eine Art von zwei verschiedenen Leben? Oder gab es für Sie keinen Bruch, kein „Vorher“ und „Nachher“?

Es gab ein Vorher und ein Nachher, ja, aber nicht aufgrund eines Gefühls der Zerrissenheit. Das liegt an den Umständen. Vom Alleinsein mit absoluter Unabhängigkeit und einem völlig freien Leben bis hin zu zwei Babys, die den ganzen Tag bei einem sind. Außerdem wollte ich sie mit gutem Gewissen haben. Es war nicht so das wir eine Familie geplant hätten, nein. Ich wurde schwanger, und ich war mir sehr bewusst, dass ich sie wollte. Und für mich war es immer ein sehr hohes Selbstverpflichtung. Eine Verbindlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes. Das heißt, ich bin eine Verpflichtung gegenüber meinen Töchtern eingegangen. Ich wage sogar zu behaupten, dass ich aus dieser Situation Kunst gemacht habe, das heißt, ich habe sie gewissenhaft gelebt, als etwas ganz Besonderes. Ich bin ein Mensch, der sein Leben gerne mit Magie lebt. Jeder kann es so verstehen, wie er es verstehen möchte. Aber ich mache gerne Kunst aus meinem Leben, oder lebe es mit Kunst, nenn es wie du willst. Die Tatsache, dass ich mit meinen Töchtern zusammen bin, habe ich sehr genossen. Es hat mich auch dazu eingeladen, meine intimere, mystischere Seite zu entwickeln, sozusagen. Um mir selbst viel näher zu kommen. Und obwohl man sehr stark von der Außenwelt beeinflusst wird, weil man viel arbeiten muss, viel miteinander zu tun hat, lange arbeiten muss und wenig Zeit für sich selbst hat, hat mich die gleiche Art und Weise, wie ich dieses Leben mit meinen Töchtern lebe, dazu gebracht, mehr mit mir selbst verbunden zu sein oder mehr durch sie zu entdecken.

Tanzt du noch? Wie bleibst du fit?

Ich würde gerne Balletttraining machen. Es gab eine Zeit, in der ich noch trainiert habe, wenn ich konnte, denn mit den beiden Zwergen hatte ich natürlich wenig Zeit. Überhaupt nichts. Ich habe viel gearbeitet und hatte schon ein ziemlich kaputtes Knie aus meiner Zeit in Frankfurt, das ich dort operieren ließ. Und hier wurde ich ein zweites Mal operiert, da es sehr schlimm geworden war, und ich sehr unter meinem linken Knie litt. Das hat mich immer daran gehindert, weiter Balletttraining zu nehmen. Außenrotation, Springen, all das ist nichts mehr. Ich entdeckte Yoga im ersten Jahr meines Aufenthaltes in Darmstadt und seither ist es mein großer Begleiter. Das ist meine Art, mich selbst in allem zu halten.

Wie findest du dich zurecht in deinem „neuem“ Körper…? Hat sich die Beziehung zu deinem eigenen Körper geändert? (Zum Guten, zum Schlechten…?)

Ich bin sehr, sehr stark mit meinem Körper verbunden, sowohl mit meinem physischen Körper als auch mit meinem emotionalen und mentalen Körper und auch mit allen enterischen Körpern. Das ist sehr wichtig, denn ich habe erkannt, dass sich der Körper, wie alles im Leben, natürlich ständig verändert. Und wenn man Tänzerin ist, bleibt man für immer Tänzerin, selbst dann wenn man nicht mehr tanzt. Du hast also weiterhin diese Beziehung zu deinem Körper, ob du willst oder nicht.

Wenn man also jung ist, weil man keine Muskeln hat und sie sich bilden müssen, dann leidet der Muskel, während sie sich bilden, wenn man tanzt, weil es Überlastungen gibt, weil es übermäßige Bewegungen oder Wiederholungen gibt…. Der Körper ist also immer da und klopft an die Tür. Wenn man 40 wird, merkt man, wie der Körper anders reagiert. Man muss auf subtile Weise aufmerksamer sein. Nun, jeder wird sein eigenes Alter haben, aber mehr oder weniger. Und jetzt ist es direkt eine konstante Aufmerksamkeit auf allen Ebenen, auf muskulärer Ebene, auf physiologischer Ebene.

Es ändert sich, aber das ist schön, denn mein Körper hat mir immer alles gesagt. Deshalb habe ich mit dem Rauchen aufgehört, deshalb habe ich aufgehört, Kaffee zu trinken, deshalb habe ich meine Ernährung umgestellt. Ich glaube, ich bin ein Mensch, der auf seinen Körper hört, es ist nicht so, dass ich mich geistig konditioniere, aber ich habe keine Lust, so viel Wurst oder so viel sonst…. Ich erinnere mich, dass wir in Frankfurt waren und mit dem Choreographen, mit dem ich gearbeitet habe, einem italienischen Musiker, und mit Franco, dem Produzenten, zu Abend gegessen haben, als ich erfuhr, dass ich schwanger war, und instinktiv keinen Wein beim Abendessen bestellt habe, obwohl ich immer gerne Wein getrunken habe, weil ich wusste, dass ich schwanger war. Aber das sind keine Entscheidungen, über die ich nachgedacht und gesagt habe, ich mache es oder nicht. Das fällt mir instinktiv ein. Das Gleiche gilt für das Rauchen, den Kaffee und jetzt auch für die Ernährungsumstellung, denn der Körper reagiert logischerweise anders. Aber diese Beziehung zum Körper ist für mich sehr interessant. Ich denke, dass normale Menschen, also die keine Tänzer sind, viel weiter davon entfernt sind… Denn der Körper ist die erste, er ist wie die erste Schicht der Zwiebel, um in deine Seele, in dein tiefstes Inneres zu gelangen. Und wenn du auf deinen Körperlichkeit hörst, gibt sie dir die Signale, die du brauchst. Es ist wie eine Tür, um in dich hineinzukommen. Das ist natürlich der Grund, warum ich denke, dass es so viele kranke Menschen gibt, weil sie nicht zuhören, weil sie nicht in sich hinein hörchen. Und Krankheit ist das deutlichste Symptom dafür, dass etwas in Ihnen nicht funktioniert. Es gibt Krankheiten, es gibt Viren, es gibt Krebs, es gibt alles, aber ich glaube nicht, dass es nur eine Sache ist, ein isoliertes Problem, es gibt es, aber es hängt davon ab, wie man darauf reagiert, man entwickelt etwas mehr oder weniger oder man entwickelt es nicht. Und wenn es etwas gibt, muss man sehr aufmerksam sein, sehr aufmerksam. Nun, das ist meine Art und Weise, das ist meine Lesart des Lebens.

Was ist mit deinem Körper passiert, nachdem du mit dem aktiven Tanzen aufgehört hast…? Fühlst du dich noch als „Tänzer“? Wie fühlt sich überhaupt ein Tänzer? Fühlst du deinen Körper noch als „Tanz-Körper“? Ist dein Körper jetzt „fremd“?

Nun, es gab einen Moment, in dem ich meinen Körper als „fremd“ empfand, und zwar als ich meine Töchter bekam, natürlich konnte ich mich im ersten Monat nicht bewegen. Ich erinnere mich, dass ich mich bewegen musste, ich musste trainieren, und direkt neben meinem Haus gab es ein Fitnessstudio, das Aerobic anbot, das sollte ich nicht verpassen, also ging ich eines Nachmittags dorthin, ich weiß nicht, wer bei meinen Töchtern blieb oder ich weiß nicht, was, nun, ich hatte dieses Bedürfnis. Ich erinnere mich, als ob es jetzt wäre, an diesen schrecklichen Aerobic-Trining. Aber ich musste mich einfach bewegen. Dieses körperliche Bedürfnis. Es war ein körperliches Bedürfnis. Und als ich wieder zu Hause war, stiegen natürlich die Glückshormone in mir hoch, unglaublich. Weil eben, das Serotonin, rauschte durch mir durch.

Und als Lehrer tanzt du natürlich auch mit. Gestern mit den Kleinen, denn montags unterrichte ich die Erstklässler, die 12 Jahre alt sind, ich weiß nicht, wie es war, gestern habe ich ihnen viele Dinge erklärt, und an einem Punkt, ich weiß nicht mehr, habe ich mich selbst als Beispiel genommen und gesagt, dass ich mit 58 Jahren immer noch lerne, wie man eine Bewegung macht. Ich weiß es nicht, es war so etwas in der Art.  Und ich sehe, wie Martina antwortet: „Was sagst du, 58 Jahre alt? Das kann nicht sein, das kann nicht sein!“ Und alle sagen: „Das kann nicht sein!“, und ich sage: „Mensch, natürlich, aber für wie alt hältst du mich? Und sie sagen: „Aber wie kannst du in so ein Alter, trainieren und Battements machen und was weiß ich noch was machen!“

Na klar, ich merke, dass ich mich nicht mehr so bewege wie früher. Überhaupt nicht, ich meine, ja, ich merke es. Es wird immer schwieriger, meinen Körper zu bewegen, und ich denke, dass ich mich sehr um ihn kümmere, weil ich viel zum Yoga gehe, weil ich es brauche.

Hast du noch Berührungspunkte mit der Tanzwelt…? Elektronisch/Virtuell? / Physisch?

Ja, ich habe immer noch Kontakt mit der Welt des Tanzes, und zwar auf die unterschiedlichste Art und Weise.

Aber ich muss mich abkoppeln. Ich möchte nichts über Tanz wissen. Nein, nein, es ist wahr, genug ist genug.

Hast du manchmal Sehnsucht nach dem Leben als Tänzer?

Hättest du mich vor 15 oder 20 Jahren gefragt, würde ich sagen, dass ich das Leben als Tänzerin nicht vermisse. Nein, denn ich war damit beschäftigt, meine neues Leben weiter zu entwickeln. Jetzt würde ich auch nein sagen, denn natürlich habe ich das schon erlebt und vermisse es nicht. Aber es ist wahr, dass man in ein Alter kommt, in dem man die Zeit der Jugend anders zu schätzen weiß. Es ist nicht so, dass ich es vermisse, ganz und gar nicht, denn ich blicke keinen einzigen Tag zurück, das heißt, überhaupt nicht. Du sagst mir, als ich 20 oder 30 oder 40 oder 50 war, und ich sage nein, ich bleibe jetzt. Aber die Erinnerung, die ich habe, ist sehr schön und man weiß sie jetzt mehr zu schätzen. Wenn ich ein junges Mädchen oder einen Jungen sehe und ihre Jugend sehe, was diese Jugend ausstrahlt, finde ich das faszinierend. Aber natürlich aus der Perspektive des Alters, in dem ich jetzt bin, und mit dem, was ich erlebt habe und was ich durchgemacht habe. Wenn ich also zurückblicke, dann denke ich daran, dass es sicher einige nicht so gute Zeiten gab, aber an das Leben, das wir hatten, erinnere ich mich gerne. Ich erinnere mich gerne daran, wie glücklich ich war. Ich war schon immer sehr unabhängig und sehr frei, und ich habe dieses Leben geliebt.

Könntest du dieses Leben ein wenig beschreiben?

Nun, ich liebe mein Leben im Tanz. Ich liebe es, Herr über mein Leben zu sein, und als Tänzerin hat man die Möglichkeit, das zu tun. Jeden Tag deinen Training zu machen, der einem viel Spaß macht, mit Menschen zusammen zu sein, sich auszutauschen und zu interagieren, auf allen Ebenen, von der oberflächlichen bis zur tieferen Ebene, Freundschaften zu entwickeln, die bis heute halten und die sehr schön sind und für die ich sehr dankbar bin. Zum Beispiel, um Freundschaften zu haben, die bis heute halten.

Und sie sind verbunden mit, nun ja, der Bühne, den Partys, den Ausflügen, den Begegnungen, dem Lachen, dem Spaß, den man in diesem Moment hat. Du bist unbesorgt über dein Leben, weil du tust, was du tun möchtest. Und das war’s, und du brauchst dich um nichts weiter zu kümmern. Du lebst also, und das war’s.

Der Unterschied besteht also darin, dass man sich, wenn man bereits Kinder hat, um sie kümmern muss, man kümmert sich mehr um sein Leben als um dein Leben, auch wenn sie älter sind. Natürlich gibt es viele Leute, die uns sagen: „Ach, die sind ja schon erwachsen, die kannst du vergessen“. Nein, Sie sind immer da, um ihnen Ratschläge zu geben, um da zu sein. Du bist nicht allein.

Aber ja, ich beschreibe es und erinnere mich daran als ein Leben… Mal sehen, es gab auch Momente, die wegen diesem oder jenem schwierig waren. Entweder weil du die Companie verlassen willst, weil deinem Beziehung beendet ist oder weil du Probleme mit dem Direktor hast. Das kommt auch vor, manchmal ist es eben so. Aber im Großen und Ganzen, ja, ja. Also diese Freiheit, das Sorgenloses Leben… Und da ich kein Mensch bin, der seine Zukunft plant, „was werde ich tun, wenn…“, nein, ich habe immer im Moment gelebt. Ich habe mir also keine Sorgen darüber gemacht, was ich tun werde, wenn ich nicht mehr tanze. Dieser absolute Sorgenlosigkeit, dachte ich manchmal, dass ich in vielen Dingen mutig gewesen bin. Aber manchmal habe ich auch gedacht, dass es einen Punkt der Verantwortungslosigkeit gab: Ich würde nicht sagen, dass es Verantwortungslosigkeit ist, sondern Unbewusstheit. Verstehest du, was ich meine? Ich meine, na ja, vielleicht ist es Tapferkeit mit ein bisschen Unbewusstheit, aber im Endeffekt ist das Ergebnis, dass ich lieber so gelebt habe, als geplant. Geplant und alles unter Kontrolle und so, das nicht, weil vielleicht…. Nein. Ich habe mit Risiken gelebt, bin immer Risiken eingegangen, und wenn man Risiken eingeht, kann man natürlich manchmal gewinnen und manchmal verlieren. Aber ja, ich ziehe es vor, nicht zu bleiben… Ich kann es nicht leiden, in einer Komfortzone zu sein. Nein, nein, ich bin es nicht. Nein, ich würde Ertrinken.

Würdest du etwas über deine Psyche erzählen, in Bezug auf das Tanzen, hat sich da etwas geändert

Nun, ich denke, wenn man die Möglichkeit zu tanzen hat, ob man sich dessen bewusst ist oder nicht, entdeckt man eine Welt. Denn diese subtilen Erfahrungen führen zu tiefgreifenden Erlebnissen auf emotionaler und psychischer Ebene. Also, die ganze Evolutionsstufe, wenn man auf der Bühne steht, nun, das ist eine Evolutionsstufe, ich habe es immer so verstanden, wenn es keine Evolution mehr gibt, dann ist es besser, sie zu verlassen, nicht wahr? Zumindest ist es bei mir so.

Mein Leben als Lehrer ist genauso wichtig wie mein Tänzer Leben. Ich habe nämlich viel mehr Jahre als Lehrer als als Tänzer verbracht, und in mancher Hinsicht ist es sehr ähnlich, denn es ist nicht so, dass man in jeder Klasse eine Show abliefert, aber in gewisser Weise muss man eine Präsenz haben, eine Anziehungskraft, eine Technik, ein Wissen, eine Weisheit, eine Übertragungskraft. Es ist genau das Gleiche. Es ist nur die Art und Weise, wie es vermittelt wird, eine andere.

Wenn man tanzt, ist man sich all dessen, was ich sage, nicht bewusst, weil man tanzt und tanzt. Aber alles, was ich beim Tanzen unbewusst aufgesaugt habe, habe ich jetzt entdeckt, ich habe erkannt, dass ich alles, was ich in diesen Jahren als Tänzerin aufgesaugt habe, jetzt als Lehrerin analysiert und umgewandelt habe, und dass es mir gelungen ist, es an diese neuen Generationen weiterzugeben, die sich ständig verändern. Ich bin leidenschaftlich an diesem Beruf interessiert, deshalb ist er nie, nie derselbe.

Ja, denn alles, was in deinem Körper und in deiner Psyche, in deinem Herzen ist, legst du dort hinein, du setzt es ein, wie in einem Cocktailshaker, und es kommt heraus und drückt sich bei den Schülern aus. Und es verändert sich ständig, es bereichert sich ständig. In den mehr als zwanzig Jahren, in denen ich unterrichte, unterrichte ich nicht mehr auf dieselbe Weise wie vor 20, 10, 15, 5 oder sogar zwei Jahren, ich würde nicht einmal sagen, vor einem Jahr. Es ist so wandelbar, dass ich es deshalb so leidenschaftlich mag, und ich finde immer mehr Sinn in allem, weißt du? Und das mit immer weniger Arbeit und weniger Aufwand.

Es ist witzig, denn alles, was mich zum Tanzen gebracht hat, die ganze Anstrengung, die Muskelschmerzen, die Anstrengung auf allen Ebenen, auch psychisch und psychologisch, über viele Grenzen hinauszugehen. Und jetzt ist das Gegenteil der Fall, allmählich ist es so, als ob ich einen Punkt erreiche, als ob ich am Anfang von Zenit stehe. Mir wird klar, warum ich so entspannt in Unterricht gehe, egal wo er stattfindet oder auf welchem Niveau. Ich muss nichts vorbereiten, ich habe alles zur Hand. Du hast die Fähigkeit, zu improvisieren und dich an das anzupassen, was in diesem Moment gebraucht wird. Und es ist so einfach, dass je einfacher es ist, desto mehr kommt man an.

Was mich im Moment erstaunt, ist, dass die Studenten, so alt wie ich bin, denn es stimmt, ich bin 58 Jahre alt, immer noch diesen Grad an Komplizenschaft haben. Nun, das haben sie immer gehabt, aber sie haben immer noch diesen Grad an Komplizenschaft mit mir auf einer persönlichen Ebene. Ich habe sie nicht zu irgendetwas eingeladen. Es gibt Studenten am Institut, die ich eine Stunde pro Woche unterrichte, und sie vertrauen mir mehr als jedem anderen Lehrer. Und nicht nur Vertrauen, sondern sie fühlen sich bei mir einfach wohler als bei anderen, sie fühlen sich sicher, mir etwas sagen zu können oder mir zuzuhören, zu sehen, dass sie dich ausquetschen wollen. Egal, ob es sich um Erstklässler oder um die Sechstklässler handelt, die ich dieses Jahr abschließen werde.

Und das überrascht mich wirklich, denn natürlich mögen Kinder junge Leute, Menschen, die ihnen einen wunderbaren Unterricht geben können, in dem du alles zeigst… Es ist wahr, so ist es.  Das erstaunt mich, denn ich sage, wenn man in diesem Beruf anfängt, sich nicht mehr wie gewohnt bewegen zu können, oder wenn man schon ein gewisses Alter erreicht hat, dann muss man aufpassen. Die Wahrheit ist also, dass mich alles sehr glücklich macht.

Inwiefern bist du zufrieden mit deinem Leben, alles zusammen betrachtet

Ich bin dem Leben sehr dankbar, aber ich denke, es hat viel mit innerem Zuhören zu tun, denn manchmal denke ich, wenn es kein inneres Zuhören gibt, dann liegt es daran, dass ich diese 20 Minuten mit mir brauchte, denn wenn man das nicht hat, entfernt man sich von seinem Wesen. Und wenn du dich von deinem Wesen entfernen, bedeutet das, dass du irgendwo anders bist, dass du jemand anders bist, dass du versuchen, Dinge zu tun, die nicht zu dir passen. Es spielt keine Rolle, was du bist. Ich sage immer, ich war in keinem großen Tanzkompanie, ich habe keinen Namen, es ist einfach nur mein Weg. Nun ja, ich hätte gerne in der Frankfurter Ballett getanzt, da sage ich nicht nein, aber das Leben hat sich nicht so entwickelt. Wenn ich eine Analyse machen würde, könnte ich dir auch sagen, warum. Denn ich weiß, dass ich viele Qualitäten als Tänzerin hatte, ich weiß es, weil man es mir gesagt hat. Dann vielleicht, wegen diese Unsicherheiten, die ein bestimmter Lehrerin in mir erzeugt hat… Das ist mir klar. Ich bin kein Psychologe, aber ich denke, es ist wichtig, eine Analyse zu machen, und meine eigene Analyse zeigt mir, dass diese Person viele Unsicherheiten in mir als Tänzerin hervorgerufen hat. Das ist mir sehr klar, wenn diese Person nicht…

Es gibt also all diese Klischees des klassischen Tanzes. Deshalb versuche ich, meine Schüler so zu erziehen, dass sie nicht darauf hereinfallen. Man muss intelligent sein, um nicht überall hinzugehen. Mal sehen, wenn du nicht eine bestimmte Körperbau hast, gehst du nicht zu bestimmten Schulen oder Ballettkompanien, warum?, um dich damit verprügeln und misshandeln zu lassen? Nein, das ist nicht nötig. Sie sollen ihren eigene Wahnsinn selbst behalten. Nun, das ist meine Meinung. Und das Leben ist sehr weitläufig und es gibt viele Möglichkeiten, und letztendlich ist es mit dem Tanzen wie mit allem anderen, es spielt keine Rolle, welchen Beruf man ausübt, man muss sich in dem, was man tut, wohlfühlen, und das war’s.

Wenn du noch mal geboren würdest… würdest du wieder Tänzer werden?

Nun, nein, denn ich bin es bereits gewesen.
Nein, weil ich es schon war und es so viele Dinge gibt, die mir sehr am Herzen liegen….  Als ich jung war, konnte ich außer Tanzen nichts finden, was mir gefiel, aber jetzt gibt es 1000 Dinge, die ich mir vorstellen kann. Ich würde gerne malen, ich würde gerne gestalten, ich würde auch gerne Kulturmanagement machen. Ich könnte also 1000 Dinge tun, die ich nicht getan habe und für die ich keine Zeit habe.

Gibt es sonst noch etwas, was du noch sagen, ergänzen möchtest?

Ich glaube, wir kommen wegen einer bestimmten Sache hierher. Das gilt für jeder. Manche haben den Fahrplan klarer vor Augen, andere nicht. Aber vielleicht wird es für denjenigen, der ihn klarer vor Augen hat, eine schwierigere Zeit sein. Aber es ist wichtig, auf sich selbst zu hören. Es spielt keine Rolle, worum es geht, aber es ist wichtig, seinen Instinkten zu folgen und eine Verbindung zu sich selbst herzustellen. Für mich ist das die Grundlage, um in diesem Leben Frieden zu finden und gesund zu sein. Für mich war und ist der Tanz mein Lebensinhalt. Und ich bin dankbar dafür, ich sage dir, ich bin jeden Tag, an dem ich aufstehe, dankbar dafür. Und die Schüler, die ich habe, heben meine Schwingungen jeden Tag, also wenn ich mit jungen Menschen zusammen bin. Natürlich ist es nicht dasselbe, wie wenn ich woanders arbeiten würde, mit Leuten in meinem Alter, die verbittert sind. Obwohl man Grenzen setzen muss. Ich habe auch meine sehr strenge Seite.

Esmeralda, Barcelona 1986

Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Programm NEUSTART KULTUR, Hilfsprogramm DIS-TANZEN des Dachverband Tanz Deutschland.

(EN: „Funded by the Federal Government Commissioner for Culture and Media within the framework of the initiative NEUSTART KULTUR, aid programm DIS-TANZEN by the Dachverband Tanz Deutschland“)